Diesen Weihnachtsbrief haben die Service-Reisen-Abteilungsverantwortlichen an die Geschäftsleitung von Service-Reisen am 17.12.2020 übergeben, verbunden mit einem kleinen Geschenk.
Danke an Herrn Lenz (AV Osteuropa) und alle Kollegen für diesen Brief und die tolle Unterstützung in diesem Jahr!
Kristiane Heyne-Strauch, Karl Heyne und Adriano Matera
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„Bitte folgende Famtrips und Fahrten absagen bzw. ändern“ – so der Betreff einer E-Mail von Frau Heyne-Strauch an mich am 02.03.2020.
Rückblickend waren dieser Moment und das merkwürdige Gefühl, das sich in den darauffolgenden Tagen in meinem Bauch ausbreitete, meine persönliche Wende von Gelassenheit zu Realismus in der aktuellen Krise. Bis dahin war das, was da irgendwo in China passierte, weit weg. Dass Corona jetzt auf einmal zu uns nach Europa, gar ins mittelhessische Gießen kommen und auch unseren Alltag direkt beeinflussen sollte, war unheimlich.
Fragen am Telefon wurden konkreter; die Busunternehmer selbst waren allerdings noch überraschend „gut drauf“. An massive Einbußen, geschweige denn Insolvenzen wollte noch niemand denken; die Angelegenheit würde im Idealfall nach ein paar Wochen oder Monaten ausgestanden sein.
Als dann erste Grenzen schlossen und die Entscheidung getroffen wurde, eine komplette ITB abzusagen, wurde klar: Die Lage ist ernst, besonders für die Touristik. Unsere Geschäftsleitung hat diese von Anfang gut einschätzen können und beachtliche Maßnahmen getroffen. Ein Krisengespräch mit den Kolleginnen und Kollegen in den Abteilungen kam zum richtigen Zeitpunkt. Erste Sorgen konnten (zumindest mir) genommen werden, aber natürlich nicht die allgemeine Ungewissheit.
Die kommenden Monate waren (und sind z.T. noch) von massiven Anstrengungen geprägt, Stornotermine bei Leistungsgebern zu verlängern und Reisen auf einen späteren Zeitpunkt umzubuchen bzw. gemeinsam mit den Kunden Nachholtermine in 2021 zu finden. Die Resonanz war wirklich gut, wenn nicht sehr gut.
Unsere Mitbewerber und auch einige Busunternehmen waren vermutlich nicht so erfolgreich. Selbstverständlich tut es mir um jeden sehr leid, der am Ende sein Unternehmen wegen Corona schließen muss - schließlich kennt man sich oft schon seit Jahren.
Bei aller Dramatik und den Folgen für unser Wirtschafts- und Gesundheitssystem haben sich durch das Virus auch Chancen ergeben. Auch hier hatte die GL ein gutes Gespür und fast könnte man meinen, sie hätte tatsächlich die in den Medien so oft genannte Glaskugel befragt.
Die MS Teams-Schulungen im März kamen (erschreckend) passend. Von da an war es möglich, produktiv von zuhause aus zu arbeiten. Vorher, abgesehen von einigen wenigen „Privilegierten“ (oder einfach nur Workaholics?), undenkbar. Endlich ohne Stress die Kinder für die Schule fertigmachen, mit dem Hund auch mal ‘ne längere Runde gehen und dann in Ruhe einloggen. Parallel auf gemeinsame Dokumente zugreifen, in diversen Foren mitdiskutieren, Video-Calls – und das alles von zuhause aus. Wow!
Zukünftige Generationen werden sich jedoch eventuell fragen: Hat es damals allen Ernstes einer Pandemie bedurft, um die Work-Life-Balance in Deutschland so ein wenig mehr ins Gleichgewicht zu bringen?
Die ersten Online-Meetings via Teams, Zoom, Jitsi Meet und wie sie alle heißen, hatten es in sich. „Wieso geht dieses verflixte Mikro nicht?“ „Sieht mich der andere schon?“ „Habe ich etwas zwischen den Zähnen?“ „Steht da im Hintergrund noch altes Geschirr herum?“.
Fragen wie diese stelle ich mir mittlerweile nicht mehr. Nicht, weil es egal, sondern das Prozedere nahezu Standard geworden ist. Auch „virtuell“ gibt es Regeln und entsprechende Garderobe gehört dazu. Dass meine Füße unter dem Tisch in Pantoffeln stecken, weiß ja keiner und come on – ich bin schließlich zuhause. Und dass sich die Nase meiner Tochter, wenn sie aus der Schule kommt, hin und wieder von unten links ins Bild mogelt, werde ich noch in den Griff bekommen.
„Veränderungen sind am Anfang hart, in der Mitte chaotisch und am Ende wunderbar.“ Ich hoffe, dass Robin Sharma, der Verkünder dieser Weisheit, recht behält, denn aktuell könnte es in diesen Zeiten der Veränderung chaotischer nicht sein (und das „wunderbar“ muss man auch relativieren). Gefühlt hangeln wir uns von Woche zu Woche. Bei den Vorgaben und Entscheidungen aus Berlin und Wiesbaden (Lockdown, Lockdown light, harter Lockdown…) ist ein anderes Vorgehen eigentlich auch nicht möglich – trotz bestem Kontakt zu Helge, Volker & Co. (@KH: Respekt für diese Initiative!).
Dennoch: Politiker möchte ich momentan nicht sein. Der AV genügt mir da völlig. Alleine die Einteilung der zugewiesenen Stunden ist eine Herausforderung. Gerne möchte ich fair sein, was nicht immer geht. Kollegen „auf Null zu setzen“ oder ein „Sabbatical anzubieten“, sind Handlungen, die wir vorher nicht geübt hatten. Dennoch ist die Stimmung im Unternehmen in meinen Augen sehr gut und der Zusammenhalt bemerkenswert. Und wenn sich Anrufer bei der Hotline des Gesundheitsamtes Gießen jetzt sogar noch denken können: „Genau, was ich brauche.“, ist dies doch eine tolle Win-Win-Win-Situation, oder? #BeatTheVirus
Wir dürfen und werden das „große Ganze“ nicht aus dem Blick lassen. Die Menschen möchten reisen und sind hungrig darauf das Aufgeschobene nachzuholen. Es gilt Geschäft zu sichern – speziell für 2021 und auch 2022 kommt bestimmt und wird hoffentlich wieder ganz normal sein, was auch immer bis dahin als Normalität empfunden wird.
Erste Menschen verkünden bereits, dass sie nie wieder Hände schütteln möchten. Traurig, aber okay. Verständnis und Toleranz sind in diesen Zeiten wichtiger denn je. Auch ein Sinneswandel ist möglich. Warb ich am Anfang auf Facebook noch euphorisch mit „Ich reise trotzdem.“ wurde nach einigen Wochen daraus ein demütiges „Stay home and healty.“. Ehrlich gesagt musste ich dieses Medium irgendwann stummschalten. Zu viel ist einfach zu viel.
Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche:
Wir sind mitten im Advent und bald ist Weihnachten. Egal, wie und mit wem (und mit wie vielen) wir die Tage verbringen; es wird ein sehr besonderes Fest werden. Auch, wenn dieses Jahr obligatorisches Wichteln und unsere SRG-Feier ausfallen. „Dann auf jeden Fall nächstes Jahr!“ – dieses Credo gilt nicht nur für die Reisen unserer Kunden, sondern auch für unsere internen Riten.
UND: So vorteilhaft die digitalen Möglichkeiten oft sein mögen; fürs kommende Jahr wünsche ich mir wieder etwas mehr „analog“ und Monatsbesprechungen, bei denen ich normale Schuhe tragen muss...
Fröhliche Weihnachten, ein ganz „normales“ 2021 & ein riesengroßes DANKESCHÖN an unsere GL
Mario Lenz, stv. für alle AVs im Dezember 2020